Die Geranien (Link zu lyrikline)
Den Sommer lang sind sie und in Blüte gewesen, blühen sie noch auch hier.
Jetzt und ohne jene Dichte oder Wohlanständigkeit, Vollbartbärtigkeit, Fensterfröhlichkeit.
Wuchern sie und über die Ränder von den Trögen, gleichen ihre Blätter Trichtern, Herbsttrompeten.
Tragen sie und vereinzelt Blütenköpfe, hochrot oder lila und verblühte, Storchenschnäbel.
Und bedecken den Boden verstreut mit Tropfen wie von Blut oder blasseren, Fächern, färben aus.
Oder rollen sich ein unter dem Besen, wenn sein Stroh über den Klinker wischt, fast gezischt hat.
Auf den Steinplatten, und das Laub geknistert, die welken Dolden zwischen den bleichen Fingern, noch am Abend.
Noch jetzt, vor einem römischen Himmel, bevor sie schwarz vor Schwermut auf der Balkonmauer stehen.
Michael Donhauser (1956)
(aus: Die Wörtlichkeit der Quitte, 1990)
Und euch, Geranien
Und euch, Geranien, oft seid ihr
Und überhängend ein Gruss mir, seid
Ein Wanken und gewesen, in den längeren
Euren Stengeln, euren Blüten, Blättern
Und unerkannt lange Zeit Zeichen nur
Der Stattlichkeit, denn in Wolken
Habt ihr die Balkone, die Fenster, habt
Das Eigentum ihr geschmückt und blütenreich
Ist euer Lob so seines nur gewesen, doch
Habe ich euch und schon früher erkannt
Und erkenne euch jetzt und gefunden
An den zarten, euren Lippen und wieder
Den roten, röteren oder blasseren, bleichen
Den Fächern, eurem Zittern, wenn ihr und weicht
Im Wind, dem Wind und widerscheint
Warm, noch und aus dem Blattwerk jetzt
Dem dichten, eurer Blätter und vielzählig
Und vereinzelt, dass die Tröge und übergehen
Überhängen, bevor ihr wütend durchzaust
Und im Kreis euch die Blüten treiben
Wie getrieben, wie einst und kühler
Vom Feuchten des Meeres, dem Wind, wenn
Und ein Welken in euren Blättern, ein Vergilben
Verblühen, ein Weichen euch wie jetzt, wie
Erinnert so vergänglich noch und bewegt
Michael Donhauser (1956)
(aus: ich habe lange nicht doch nur an dich gedacht, 2005)
(Hier kann meine Arbeit zur Gedichtinterpretation heruntergeladen werden.)